Von der Europäischen Kommission geplante Verschärfung der Lieferkettensorgfalt

Das LkSG ist seit dem 1. Januar 2023 in Kraft. Die Europäische Kommission plant, ein (noch) strengeres Regime auf EU-Ebene umzusetzen. Das ist ihrem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937“ zu entnehmen. Wir erläutern, was die EU-Kommission plant.

Für wen gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?

  • Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder Sitz in Deutschland, die 3.000 Arbeitnehmer oder mehr beschäftigen.
  • Ab dem 1. Januar 2024 gilt es bereits ab 1.000 beschäftigten Arbeitnehmern.
  • Leiharbeitnehmer, die länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigt sind, ins Ausland entsandte Mitarbeiter sowie in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften zählen dazu.

Wer wäre von der geplanten EU-Richtlinie erfasst?

  • Sektoren mit hohem Schadenspotenzial: Unternehmen, die im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss erstellt wurde, mindestens 250 Personen beschäftigt und einen weltweiten Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. EUR erwirtschaftet haben. Dabei müssen mindestens 50 % des weltweiten Nettoumsatzes in einem Sektor mit hohem Schadenspotenzial erwirtschaftet worden sein.
  • Dazu gehören unter anderem: Herstellung von und Großhandel mit Textilien (einschließlich Schuhen), Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (einschließlich Aquakultur), Herstellung von Lebensmittelprodukten, Gewinnung von und Großhandel mit mineralischen Ressourcen sowie Herstellung von und Großhandel mit mineralischen Erzeugnissen.
  • Sonstige Sektoren: Unternehmen, die im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss erstellt wurde, mindestens 500 Personen beschäftigt und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR erzielt haben.
  • Unternehmen aus Drittstaaten: Sie werden – unabhängig von der Zahl ihrer Beschäftigten – erfasst, wenn sie im vorletzten Geschäftsjahr einen Jahresnettoumsatz in der voranstehend genannten Höhe (in einem Sektor mit hohem Schadenspotenzial) in der EU erzielt haben.
  • Personenhandelsgesellschaften nach deutschem Recht werden nicht erfasst, wenn eine natürliche Person Gesellschafter ist.

Was würde sich inhaltlich ändern?

Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen entsprechen in den Grundzügen denen, die bereits im LkSG vorgesehen sind. Es würde aber ein wesentlich strengeres Regime geschaffen:

  • Die Sorgfaltspflichten der Unternehmen wären auf deren gesamte Wertschöpfungskette, d.h. direkte und indirekte Lieferanten sowie Kunden zu beziehen, sofern zu diesen eine „etablierte Geschäftsbeziehung“ besteht. Das würde die Sorgfaltspflichten wesentlich ausdehnen. Die derzeit im LkSG geforderten Maßnahmen betreffen vor allem den eigenen Geschäftsbereich sowie die unmittelbaren Zulieferer des Unternehmens; mittelbare Zulieferer werden nur unter besonderen Voraussetzungen erfasst.
  • Unternehmen müssten ihre Strategie zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht jährlich aktualisieren.
  • Die Mitgliedsstaaten müssten eine nationale zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht schaffen. Eine solche ist nach dem LkSG derzeit noch ausgeschlossen (§ 3 Abs. 3 LkSG).
  • Diese zivilrechtliche Haftung müsste zwingend und vorrangig sein. Sie wäre also auch dann anzuwenden, wenn nicht das Recht eines Mitgliedstaates anwendbar wäre.

Ausblick

Die Richtlinie würde den Anwendungsbereich und den Inhalt der Sorgfaltspflichten erheblich erweitern. Sofern die EU neue Sorgfaltsregeln in Gestalt einer Richtlinie verabschiedet, müssten diese zunächst von den nationalen Gesetzgebern umgesetzt werden, was in Deutschland wohl durch eine Verschärfung der Regeln des LkSG geschehen würde. Der derzeitige Vorschlag sieht hierfür ein Zeitfenster von 2 Jahren ab Inkrafttreten der Richtlinie vor.

Die geplante international verbindliche zivilrechtliche Haftung wird wahrscheinlich weiterhin kontrovers diskutiert werden. Schon im Gesetzgebungsverfahren des LkSG war die zivilrechtliche Haftung ein neuralgischer Punkt. Schadensersatzansprüche würden beispielsweise Kosten für medizinische Behandlungen oder Sachschäden im Falle von Umweltauswirkungen umfassen. Auch Ansprüche auf Schmerzensgeld wären denkbar. Allerdings müssten solche Ansprüche – auch von Geschädigten in Entwicklungsländern – vor deutschen Gerichten geltend gemacht werden. Die Praktikabilität einer zivilrechtlichen Haftung für Verstöße gegen Lieferkettensorgfaltspflichten ist daher ungewiss.

Zudem ist offen, in welcher Form – wenn überhaupt – Regeln zur (nationalen) zivilrechtlichen Haftung verabschiedet werden. Medienberichten zufolge möchte etwa die deutsche Bundesregierung für die geplante Richtlinie eine Safe-Harbor-Klausel.

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